Bei einer Geburt werden immer zwei Menschen geboren, ein Baby und eine Mutter. Während es diese süßen kleinen Wesen aber verdammt gut beherrschen, sich direkt in den glitzernden Vordergrund zu schreien, vergessen wir alle die – ebenfalls neugeborenen – Mütter. „Matrescence“ ist der bisher einzig existierende Begriff, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt. Auf deutsch: Der Prozess, eine Mutter zu werden. Von außen betrachtet ist es die letzte Presswehe oder der letzte Schnitt – und zack: Mutter! Matrescence ist aber mehr. Viel mehr.
Wie würde es sich für dich anfühlen, wenn du in der Schwangerschaft beseelt grinsend über deinen dicken Bauch streichen dürftest, aber nicht müsstest? Wenn du die Geburt deines Kindes als den schönsten, aber auch als den furchtbarsten Tag deines Lebens bezeichnen dürftest, oder auch irgendetwas dazwischen? Wenn du nicht auf Knopfdruck glücklich über dieses neue Wesen sein müsstest und dein altes Leben schmerzhaft vermissen dürftest?
Wie wäre es für dich, wenn nicht nur du das wüsstest, sondern die ganze Welt ein Wort für diesen Wandel von der Frau zur Mutter hätte?
Wissenschaftlich bestätigt und auch im Hirn von Großonkel Ernst angekommen.
Wenn sich jeder, egal ob Mann oder Frau im Klaren wäre, dass der Wandel von einer Frau zur Mutter vergleichbar ist mit der wildesten Achterbahn, in die du steigen kannst. Mit berauschenden Höhen und erschreckenden Tiefen. Die in der Schwangerschaft beginnen, aber noch viele Jahre nach der Geburt andauern können. Also nicht nur die acht Wochen im Wochenbett, die wir in der Regel überall verbringen, nur nicht im Bett.
Von einem pubertierenden Jugendlichen erwarten wir auch keine Transformation vom Kind zum Erwachsenen über Nacht. Auch nicht innerhalb weniger Wochen. In dieser jahrelangen Umbruchsphase passieren in der Regel ganz wilde und gruselige Dinge, für den Teenager sowie für die Eltern. Pubertiere rotzen über ihre verständnislosen Eltern ab, Eltern über ihre durchgeknallten Sprösslinge. Die ganze Welt aber wirft einen milden Blick auf die Heranwachsenden, sind sie doch in einer wissenschaftlich bestätigten, hormonellen Ausnahmesituation, die geprägt ist von permanentem Zwiespalt und Zerrissenheit. Auch die Wechseljahre der Frauen sind allen ein Begriff und werden als große seelische und körperliche Veränderung wahrgenommen. So weit, so gut.
Und was ist mit der Frau, die eine Mutter wird?
Im englischsprachigen Raum gab es zu Matrescence in jüngster Zeit bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse, die uns unser ureigenes Bauchgefühl bestätigen: Wir werden nicht mit der Trennung der Nabelschnur eine Mutter. Es braucht oft viel Zeit und ist immer individuell. Und nein, wir sind nicht die Mutter Gottes, die leise und demütig ihren kleinen Jesus auf die Welt bringt und sich selbst dabei fortan mit Freude aufgibt. Wir sind zwiegespalten, traurig, glücklich, wütend, bereuend, zufrieden, nichtsfühlend. Wir sind all das und noch viel mehr. Und die Geburt unserer Mama-Identität ist vermutlich noch eine Spur härter als die im Kreißsaal.
Es ist mittlerweile erwiesen, dass sich bei Frauen, die Mütter werden, sogar die Hirnstruktur verändert. Dies geschieht aufgrund der hohen Konzentration bestimmter Hormone. Wir fühlen diese Veränderung also nicht nur, sie ist wissenschaftlich bestätigt! Nur leider noch nicht angekommen in den Köpfen der Gesellschaft. Daher werdet ihr hier in Zukunft noch sehr viel darüber lesen. 😉
Lasst uns daher unsere Muttermünder öffnen und über Matrescence sprechen. Über diesen ganz natürlichen Wandel, sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene. Es denen sagen, die es noch nicht wissen und auch uns selbst jeden Tag aufs Neue. Es ist okay, es ist normal und all diese unordentlichen Gefühle sind verdammt nochmal wissenschaftlich zu erklären. Das müssen wir jetzt nur noch an die Frau bringen. Und den Mann. Und Großonkel Ernst. Hilf uns dabei!
#matrescence
#Muttertät