Sarah Meraner ist Mama eines fünfjährigen Jungens und arbeitet als Texterin und Storyteller in einer renommierten Südtiroler Content Marketing- und Kommunikationsagentur. Seit 2017 veröffentlicht sie auf ihrem Blog „Geschichten im Kopf“ Kurzgeschichten, philosophische Texte und Gedichte. Anfang 2021 erschien ihr Buch „Wörter Vernissage„. Für uns hat sie über ihr Leben als alleinerziehende Mama geschrieben.
von Sarah Meraner
In den vergangenen fünf Jahren habe ich festgestellt, dass ich nicht der klassische Muttertyp bin. Genau so lange bin ich nämlich schon Mama. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich liebe meinen Sohn und ich bin sehr gerne seine Mama. Aber: Ich hasse es, die Mutter zu sein, nach der unsere Gesellschaft schreit. Und die ist generell nun mal immer – ja, wirklich immer – eine andere, als die, die man eben ist. Frau hat nie das Gefühl genug zu sein, geschweige denn eine gute Mutter. Sie wird ständig mit anderen verglichen und dementsprechend be- und verurteilt. Nun, die gesellschaftlich akzeptierte Mama bin ich als Alleinerziehende so oder so nicht. Zwischen Vorwürfen, Verachtung und Mitleid ist nämlich alles mit dabei im Repertoires des .. ähm „zwischenmenschlichen Seins“!? Und obwohl frau manchmal das Gefühl hat, dass es so ist: „Alleinerziehend“ ist weder ein Unwort noch Schimpfwort und darf schon gar keine Wertung sein.
Vom Dinge-einfach-Hinnehmen und Sich-ins-Gewissen-beißen-Lassen
Jedes zweite Wochenende muss ich auf mein Kind verzichten – und bekomme oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich dabei erwische, wenn ich diese „freie“ Zeit genieße. Obwohl ich mir diese seltenen Stunden eigentlich wie Schokomousse auf der Zunge zergehen lassen müsste, ertappe ich mich oft dabei, wie ich denke: „Das würde Ben jetzt auch gefallen.“ Und wenn ich es mal schaffe mein metaphorisches Dessert zu genießen, dann kommt sicher irgendjemand daher, der mich fragt, warum ich Ben denn nicht bei mir habe – inklusive mitleidigem oder wertendem Blick. Als ob man nicht schon mit genügend anderen Dingen zu kämpfen hätte.
„Hallo Mami! Hast du eine Überraschung für mich?“, fragt mich Ben, als er letzten Sonntag Abend von seinem Papi-Wochenende nach Hause kommt. Eigentlich ist es immer ein Papi-Oma-Wochenende – wenn Ben dort ist, schläft er nämlich meistens mit dem Papa bei der Oma. Und die Oma oder der Papa, die haben meistens eine Überraschung für den Ben. Weil sie ihn meist nur alle vierzehn Tage zu Gesicht bekommen. Und ich fühle mich dann schon gleich ein wenig schlecht, weil es bei mir nicht jedes Mal etwas Besonderes gibt. Ben zieht seine Jacke aus, verabschiedet kurz und knapp den Papa und stürmt ins Wohnzimmer. Er ist noch etwas aufgekratzt, aber das kenn ich schon, von den Abenden nach dem Papi-Oma-Wochenende.
Dass er dort immer recht verwöhnt wird, ist eines der Dinge, die ich nicht steuern kann. Oder, dass er manchmal zwei Tage lang in denselben Klamotten rumläuft, obwohl ich immer frische Wäsche mit einpacke, in die Übernachtungstasche. Oder, dass Ben dort nicht so oft nach draußen in die frische Luft kommt. Oder aber, dass er eigentlich viel öfter beim Papa sein sollte/dürfte, der aber kein Gebrauch von seinem Recht macht, weil er „keine Zeit“ hat. Mit dieser Tatsache hatte ich schon während unserer Beziehung zu kämpfen – mittlerweile sehe ich die Dinge aus einem sehr nüchternen Blickwinkel: Es ist schlussendlich ganz allein seine Zeit, die er mit seinem Sohn verpasst.
Trotzdem hat Ben seinen Frust darüber, dass er den Papa nicht so oft sieht, eine ganze Zeit lang auf mich abgewälzt. Mittlerweile hat er sich damit abgefunden – er versteht, dass der Papa viel arbeitet. Und nachdem Ben dann zu mir gesagt hat: „Ist schon gut, Mami. Wir zwei haben‘s doch trotzdem fein miteinander!“ konnte ich auch endlich meine Schuldgefühle ablegen, die mich viele Monate geplagt haben. Jetzt habe ich höchstens nur deswegen noch eines, weil ich nicht immer mit Schokolade oder kleinen Geschenken punkten kann – will ich auch nicht, ganz nebenbei gesagt.
Irgendwann wird alles gut
Am Anfang war sehr Vieles sehr schwierig. Damals, als die Emotionen bei allen noch geballt waren und wichtige Dinge geregelt werden mussten: Besuchszeiten, Unterhalt und all der hässliche Kram. Damals, als ich von vielen Menschen in meiner Umgebung zum Inbegriff des Bösen ernannt wurde, weil ich diejenige war, die die Beziehung beendet und damit – gaaanz logische Schlussfolgerung – die Familie zerstört hatte. Woraufhin ich mir ein ziemlich dickes Fell überziehen musste. Das Einzige, was mir über diese Zeit tatsächlich hinweggeholfen hat, war mein unbändiges Vertrauen in die Tatsache, dass irgendwann alles besser wird. Und mein damals Zweijähriger, der es mir – Gott sei Dank – erst gar nicht erlaubt hat, einzuknicken.
In den vergangenen drei Jahren habe ich begriffen, dass ich als alleinerziehende Mama einen steinigen Weg gehe und dementsprechend oft stolpere. Dass ich manchmal … ja, alleine mit allem bin und ich fast genauso oft weine. Ich habe schon auf viele Dinge verzichtet. Und ich bin sehr oft sehr müde – nicht nur wegen der Balance, die ich zwischen Job, Mamasein, Haushalt und auch finanziell halten muss, sondern vor allem wegen der mentalen Last, die einfach unglaublich schwer wiegt. Und weil nun mal nicht jeder Tag in rosa Watte gepackt ist, habe ich auch gelernt, dass ich mein Kind nicht nur lieben darf, sondern manchmal auch aushalten muss – auch dann, wenn ich eigentlich gar nicht mehr kann und eine Pause dringend notwendig hätte.
Wenn es also weitere Synonyme für das Wort „alleinerziehend“ gäbe (es gibt nämlich tatsächlich nur eins – „Ein-Eltern-Familie“), dann könnten es doch vielleicht diese sein: „alles-alleine-händelnd“, „Zähne-zusammenbeißend“, „widerstandsfähig“ und „dauermüde, aber trotzdem immer voll da“.
Scheiß auf den Rest!
Ja, als Alleinerziehende muss ich oft eine Prise mehr Kraft, mehr Biss und Ausdauer aufbringen. Aber all die tollen Menschen in meinem Leben, die mich immer unterstützt haben und für mich da waren, schenken mir die Gewissheit, dass ich letzten Endes doch nicht alleine bin. Sie respektieren mich und wissen, dass ich – egal was und wie ich es tue – nur das Beste für mein Kind will. Und sie erinnern mich immer wieder im genau richtigen Moment daran, dass ich eigentlich eine ziemlich starke Frau bin. Und dann schaffe ich es auch, meinen aufgekratzten Ben zu händeln, wenn er vom Papi-Oma-Wochenende heimkommt und schaffe es auch, einen Scherz darüber zu machen, dass er noch die Stinkesocken von gestern trägt. Und ihm zu sagen, dass ICH seine Überraschung bin. 🙂 Was soll‘s. Ja, was soll‘s! Und der ganze Rest der Gesellschaft … nun, auf den scheiße ich, ganz ehrlich. Jaaa, ich weiß: „Scheiße“ ist ein Schimpfwort. Doch „alleinerziehend“ ist keines. Und weder für das eine noch für das andere entschuldige ich mich.
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und in ihrem Buch „Wörter Vernissage„